4-2022-Tor-zur-Hölle
Autorin: Katharina Kröll, BA

DIE HÖLLE AUF ERDEN

Die „Tore zur Hölle“ öffnen sich, aber wir befinden uns nicht an der Schwelle vom Diesseits ins Jenseits, sondern in der Wüste Karakum in Turkmenistan, wo seit mehreren Jahrzehnten ein brennender Krater jährlich Tausende Touristen anlockt. Jedoch handelt es sich dabei keineswegs um eine aufwendige Kunst­installation, die über die Jahre hinweg einfach zum Dauerbrenner wurde, vielmehr um eine gewaltige Fehleinschätzung mit drastischen Folgen.

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rankreich hat den Eiffelturm, Italien das Kolosseum und Turkmenistan das „Tor zur Hölle“. Was diese drei Touristenattraktionen gemeinsam haben? Sie alle wurden von Menschenhand geschaffen, mit der Ausnahme, dass der Derwezer-Krater, der sich etwa 270 Kilometer nördlich der turkmenischen Hauptstadt Aşgabat befindet, keine von langer Hand geplante Sehenswürdigkeit ist, sondern eine gewaltige Naturkatastrophe, durch die Unmengen an Methangas in ­die Erdatmosphäre

Frankreich hat den Eiffelturm, Italien das Kolosseum und Turkmenistan das „Tor zur Hölle“. Was diese drei Touristenattraktionen gemeinsam haben? Sie alle wurden von Menschenhand geschaffen, mit der Ausnahme, dass der Derwezer-Krater, der sich etwa 270 Kilometer nördlich der turkmenischen Hauptstadt Aşgabat befindet, keine von langer Hand geplante Sehenswürdigkeit ist, sondern eine gewaltige Naturkatastrophe, durch die Unmengen an Methangas in ­die Erdatmosphäre gelangen. Wie „das Leuchten Karakums“ – so seit 2018 der offizielle Name des Kraters – vor rund fünfzig Jahren entstanden ist, darüber scheiden sich die Geister.

gelangen. Wie „das Leuchten Karakums“ – so seit 2018 der offizielle Name des Kraters – vor rund fünfzig Jahren entstanden ist, darüber scheiden sich die Geister.

 

Geburtsstunde einer gefährlichen Sehenswürdigkeit. Ihren Ursprung hat die wohl bedeutendste Touristenattraktion Turkmenistans wohl Anfang der 1970er-Jahre, als sowjetische Geologen Bohrungen nach ertragreichen Ölvorkommen an der Stelle des heutigen Kraters durchführten. Während dieser Sondierungsbohrungen stießen die Arbeiter jedoch nach wenigen Metern nicht auf das erhoffte Öl, sondern auf eine riesige Erdgasblase. Durch das Treffen dieser gasgefüllten Kaverne gab der Boden nach, riss die Bohrgeräte in die Tiefe und hinterließ ein 70 Meter breites und 30 Meter tiefes Loch. Die Geologen selbst kamen bei dem Einsturz nicht zu Schaden. Um dem sich ausbreitenden Methangas Einhalt zu gebieten, griff man auf eine Lösung zurück, die, wie sich später herausstellte, schlechter nicht hätte sein können: Das gefährliche Gas wurde kurzerhand angezündet. Die Verantwortlichen waren sich sicher, dass das Feuer und somit auch das Gas nach wenigen Tagen ausgehen würde. Heute, fünfzig Jahre später, wissen wir, dass dieses Vorhaben nicht den gewünschten Erfolg gebracht hat, und bis dato blieben alle Löschversuche erfolglos. Bestätigt ist diese Version allerdings nicht, denn turkmenische Geologen sind der Ansicht, dass sich der Krater von selbst in den 1960er-Jahren gebildet und sich erst in den 1980er-Jahren entzündet hat. Warum die Entstehungsgeschichte des brennenden Kraters so geheimnisumwoben ist, ist schnell erklärt: Turkmenistan gilt nach Nordkorea als die am stärksten isolierte Nation der Welt. Eine freie Presse und demnach eine anerkannte Informationslage sucht man Experten zufolge vergebens.

Klimasünder Methangas. Die Entscheidung, das Gas anzuzünden, war im Sinne des Klimaschutzes nachvollziehbar, denn das Verbrennen ist sicherer als das einfache Ausströmenlassen in die Atmosphäre. Dass sich die Gasquelle jedoch als so ergiebig herausstellen würde, war damals augenscheinlich niemandem klar, und auch heute kann nicht genau gesagt werden, wie groß die Gasreserve tatsächlich ist. Zum Gasvorkommen in Turkmenistan ist jedoch bekannt, dass das Land weltweit über die viertgrößte Gasreserve verfügt. Die naheliegende Idee, den brennenden Krater einfach mit dem umliegenden Sand aufzufüllen, musste schnell wieder verworfen werden, da sich das Gas einfach seinen Weg durch den Sand bahnte.

 

Mammut-Aufgabe. Anscheinend spricht das feurige Spektakel aber für sich, denn obwohl an dem brennenden Krater wenig Gutes zu finden ist, er schlecht für Umwelt und Mensch ist, muss man ihm eines lassen, und zwar die 4,6-Sterne-Bewertung auf Google. Alle Abenteurer, die während des Lesens die Reiselust gepackt hat und die bereits auf der Suche nach den besten Tickets nach Turkmenistan sind, deren Reisepläne müssen wir an dieser Stelle allerdings durchkreuzen. Der bis vor Kurzem amtierende autoritäre Machthaber Turkmenistans, Gurbanguli Berdimuchamedow, will den Flammen nun endlich das Gas ausmachen, da das Land dadurch nicht nur gewinnbringende natürliche Ressourcen verliert, sondern die Gesundheit der in der Nähe lebenden Menschen gefährdet. Wie ihm das allerdings gelingen will, steht jedoch noch in den Sternen, denn vorherige Versuche, das brennende Gas zu löschen, waren stets zum Scheitern verurteilt.

Explodierende Methangaskrater in Sibirien. Anders als in Turkmenistan, wo Methangas durch Menschenhand zum Problem wurde, zeigt das Gas in Sibirien, dass es auch ohne Fremdeinwirkung erheblichen Schaden verursachen kann. Bevor wir aber näher auf explodierende Methangaskrater in Nordsibirien eingehen, nehmen wir das Methangas einmal etwas genauer unter die Lupe: Methan ist umgangssprachlich auch als Sumpf- oder Faulgas bekannt und ist, laut einer Studie der University of London auf die nächsten 20 Jahre berechnet, nicht nur 86-mal klimaschädlicher als Kohlendioxid, sondern auch hoch entzündlich. Wie entzündlich es ist, haben wir bereits beim Tor zur Hölle mehr als deutlich veranschaulicht. Seit Millionen von Jahren bildet sich das Gas vor allem auf dem Grund von Seen und Ozeanen, dort verrotten abgestorbene Pflanzenreste. Über diese Pflanzenreste machen sich sogenannte Mikroben (winzig kleine Lebewesen) her, die diese fressen, verdauen und wieder ausscheiden. Durch das Verfaulen der Pflanzen bildet sich Erdgas, das zum Großteil aus Methan besteht. Das Gas steigt entweder als Blase im Wasser auf oder sammelt sich auf dem Boden von Seen und Ozeanen unter Luftabschluss als Wasser- und Kohlenstoff an. Aber wie kommt es zu den explodierenden Methangaskratern in Nordsibirien? Man mag es kaum glauben, aber vor hundert Millionen Jahren war das Klima in dieser heute sehr kalten Region äußerst warm und feucht. Die Sümpfe, die das Landschaftsbild damals prägten, schufen ideale Bedingungen für die Entstehung von Methan- und anderen Erdgasen. Durch die enorme Kälte heute hat sich ein Permafrostboden gebildet. Unter diesem luftundurchlässigen Eisdeckel sammeln sich immer mehr Methan- und Erdgase an. Die Folge: Der Gasdruck unter dem Eis steigt. Bei diesen niedrigen Temperaturen und unter dem starken Druck der Eis- und Erdschichten verdichtet sich Methangas zu einer brennbaren, eisartigen Substanz (Methanhydrat). Der letzte Akteur in der Reihe dieser Geschehnisse ist der Klimawandel. Durch die Erderwärmung taut das Eis in diesen Böden auf, das Methanhydrat und andere Erdgase dehnen sich aus und sprengen sich ihren Weg durch den Erdboden explosionsartig frei. Geboren sind die bis zu 50 Meter tiefen Methangaskrater.

Beim Tor zur Hölle, dessen treffender Namen von den Bewohnern Turkmenistans erdacht wurde, handelt es sich um einen Krater, der einen Durchmesser von 69 Meter und einer Tiefe von 30 Metern aufweist. Tausende Touristen strömen jährlich in die Nähe der Ortschaft Derweze, um sich selbst ein Bild von diesem Spektakel zu machen. Lange wird das allerdings nicht mehr möglich sein.

Um dem ausströmenden Gas Einhalt zu gebieten, entschloss man sich es kurzerhand einfach anzuzünden. Keine gute Idee, wie sich später herausstellte.

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Um dem Methangas Einhalt zu gebieten, zündete man es an, das stellte sich
jedoch als Fehler heraus.
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Den Preis für den Naturkatastrophen-Tourismus zahlt die Umwelt, denn was dort bestaunt wird, ist brennendes Methangas – der Umweltsünder schlechthin

Fotos: (© Tormod Sandtorv / Darvasa gas crater panorama / CC BY-SA 2.0); AdobeStock

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